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HNO-Karzinome

Große Möglichkeiten – Große Probleme

Die HNO-Karzinome stellen eine große Gruppe von zum Teil unterschiedlichen bösartigen Tumoren dar. Dennoch können wir sie hier in einem Zusammenhang darstellen. Denn wenn wir einmal von den Einzelheiten einer operativen Behandlung absehen, um die es hier nicht gehen soll, dann sind die Unterschiede in der Behandlung mittels Chemotherapie oder Bestrahlung doch so gering, dass wir uns zumindest hier nicht darum kümmern müssen.

Leider sind die allermeisten HNO-Karzinome schon sehr weit fortgeschritten, wenn sie entdeckt werden. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum dies so ist, aber darum soll es hier auch nicht gehen. Denn wir wollen uns auf die Möglichkeiten Ihrer Behandlung kümmern und nicht darum, warum Ihr Tumor schon soweit fortgeschritten ist. Jetzt geht es darum, dass Ihnen geholfen wird.

Fast alle HNO-Karzinome können auf die eine oder andere Weise operiert werden. Doch leider handelt es sich dabei allzu häufig um Operationen, die den Patienten wirklich entstellen. Denn fast immer müssen Organe oder Organteile aus dem Gesichtbereich entfernt werden. Das bedeutet nicht nur Funktionseinschränkungen, sondern auch sichtbare Veränderungen. Am meisten bekannt dürfte hier noch die Entfernung des Kehlkopfes sein, was immer mit einer künstlichen Öffnung im Bereich des Halses, dem so genannten Tracheostoma, verbunden ist. Aber auch operative Entfernungen von Teilen des Kiefers, des Gaumens oder ähnliche Operationen werden vorgenommen. Weiterhin werden bei allen diesen Operationen die Lymphknoten des Halses entfernt. – Da muss man sich doch fragen, ob es nicht weniger entstellende Behandlungsmöglichkeiten gibt.

Viele internationale Studien haben ergeben, dass besonders die recht weit fortgeschrittenen Karzinome aus dem HNO-Bereich sowohl mit einer Operation als auch alternativ mit einer Bestrahlung bei gleichem langfristigem Ergebnis behandelt werden könnten. Hinzu kommt noch, dass in den meisten Fällen auf eine Operation auch noch eine Bestrahlung folgen muss. Hier stellt sich die Frage, warum man dann nicht auf eine Operation verzichtet und sich auf die Bestrahlung konzentriert? – Die Antwort ist genau so einfach wie traurig: Wer Probleme im Bereich von Hals, Nase oder Ohren hat, geht wahrscheinlich zunächst zu seinem Hausarzt und dann zu einem HNO-Arzt. Wenn dieser HNO-Arzt eine bösartige Erkrankung vermutet oder sogar mit einiger Sicherheit entdeckt, weist er diesen Patienten in eine HNO-Klinik ein. Diese HNO-Klinik macht sich in erster Linie einmal Gedanken um eine mögliche Operation. Das ist ja auch vollkommen in Ordnung. Doch fragt man sich in den HNO-Kliniken in aller Regel, ob eine Operation wie auch immer durchführbar ist und man fragt sich eben nicht, ob nicht mit einem anderen Verfahren (wie einer Bestrahlung oder einer Chemotherapie oder einer Kombination von beiden Verfahren) genau so gute oder zumindest vergleichbare Ergebnisse erzielt werden könnten. Genau so gute Ergebnisse, allerdings ohne dass der Patient wie auch immer mehr oder weniger sichtbar entstellt wird. Zuerst wird einmal operiert und dann stellt man sich Fragen zu weiteren Problemen. – So ist es zumindest in sehr vielen HNO-Klinken auch der großen Krankenhäuser und Universitätskliniken. Fragen Sie also immer eindringlich nach Alternativen zur Operation und lassen Sie sich nicht mit einfachen Bemerkungen wie „Der Tumor muss doch einfach weg! Ist doch klar!“ abspeisen. Bestehen Sie darauf, mit einem erfahrenen Strahlentherapeuten zu sprechen. Einem Strahlentherapeuten, der auch unabhängig von der jeweiligen HNO-Klinik entscheiden kann.

Hier wird ein Problem ganz klar: Noch immer ist es unglaublicher Weise so, dass die Tumorpatienten nicht einmal in allen großen Zentren in einer so genannten Tumorkonferenz vorgestellt werden. Denn in einer solchen Tumorkonferenz sollten alle zur Verfügung stehenden Fachrichtungen neutral miteinander beraten, welche Behandlung im besten Interesse des Patienten ist. Noch immer ist es leider in Deutschland so, dass die Fachabteilung die Behandlung plant, in die der Patient eingewiesen wird.

Doch nun zur Bestrahlung (und Chemotherapie) bei Patienten mit einem HNO-Karzinom, wobei es bis auf wirklich geringe Unterschiede nicht darauf ankommt, ob vorher eine Operation statt gefunden hat. Und noch einmal: Die allermeisten Patienten mit einem (fortgeschrittenen) HNO-Karzinom sollten auch nach einer Operation bestrahlt werden.

Das Wichtigste zu Beginn: Eine Bestrahlung im HNO-Bereich führt zwar nicht zu sichtbaren Veränderungen und Entstellungen. Dennoch kommt es bei einer Bestrahlung im HNO-Bereich zu wirklich sehr schweren und zudem noch lange Zeit anhaltenden Nebenwirkungen, die in vielen Fällen nie wieder ganz ausheilen.

Bei einer Bestrahlung im HNO-Bereich sind fast immer mehr oder weniger große Teile der Schleimhaut von Mund und Rachen und die Speicheldrüsen sowie die Zähne der Bestrahlung ausgesetzt. Leider sind besonders die Schleimhäute und die Speicheldrüsen sehr empfindlich und werden durch eine Bestrahlung schwer geschädigt.

·      Jeder von uns hatte schon einmal einen kleinen Entzündungsherd im Bereich des Mundes und hat sich dann gewundert, welch große Beschwerden ein so kleines Problem verursachen kann. Um sich vorzustellen was eine Bestrahlung im Bereich des Mundes anrichtet, müssen Sie sich nun vorstellen, dass der gesamte Mund- und Rachenraum mit solchen Entzündungen übersät ist. Ohne Zweifel bereitet das Schmerzen, die mit normalen Schmerzmitteln kaum zu bessern sind.

·      Dann kommt es im Laufe einer Bestrahlung im HNO-Bereich zu einer sehr unangenehmen Mundtrockenheit, die sich nie wieder ganz bessert. Diese Mundtrockenheit führt wiederum dazu, dass sich das Geschmacksempfinden drastisch ändert. Hier gibt es keine festen Regeln. Die meisten Patienten berichten, dass sich der Geschmacksinn vermindert und alles „nach Pappe“ schmeckt, wobei starke Gewürze häufig zusätzliche Schmerzen bereiten. Aber immer wieder berichten Patienten auch von merkwürdigen Veränderungen des Geschmackssinns. So erzählte uns ein Patient, dass nach einigen Bestrahlungen alles nach Erdbeeren geschmeckt habe. Was zunächst noch recht lustig war, wurde dabei sehr bald zu einem großen Problem. Denn wenn auch Kartoffeln oder ein Stück Braten nach Erdbeeren schmecken, bekommt auch der größte Fan von Erdbeeren einen Grusel vor diesen Früchten.

·      Ganz wichtig ist, dass die Zähne vor Beginn einer Bestrahlung im Mundbereich in Ordnung gebracht werden. Denn ansonsten kommt es häufig bei Karies zu Entzündungen, die den Kieferknochen unwiderruflich zerstören können. Dennoch werden nach einer Zeit von vielen Monaten bis wenigen Jahren auch gesunde Zähne so weit geschädigt, dass sie zuerst locker werden und dann ausfallen. (Dann ist es ganz wichtig zu wissen, dass es sich dabei um eine Behandlungsfolge handelt. Das ist deshalb wichtig, weil die Krankenkassen die notwendigen Kosten zur Behebung der Zahnschäden, die durch eine Bestrahlung verursacht wurden vollständig übernehmen. Selbst den meisten Zahnärzten ist das nicht bekannt.)

Das sind nur die schlimmsten Nebenwirkungen einer Bestrahlung im HNO-Bereich. Doch nach unserer Meinung ist eine noch so schlimme bleibende Mundtrockenheit, was ohne jeden Zweifel sehr unangenehm ist, besser als eine Entfernung des Kehlkopfes, wenn sich dies vermeiden lässt.

An dieser Stelle wollen wir aber auch betonen, dass wir keineswegs gegen HNO-Operationen sind. Häufig sind sicher auch sehr ausgedehnte Operationen die einzige sinnvolle Maßnahme. Nur sollte vor wirklich jeder HNO-Operation sehr sorgfältig nachgedacht werden, ob es keine gleichwertige andere Möglichkeit gibt, ohne dass es zu Entstellungen im Gesichts- und Halsbereich kommt.

Seit langer Zeit sind die Nebenwirkungen einer Bestrahlung im HNO-Bereich bekannt und wurden auch durch den Einsatz modernster Bestrahlungsgeräte nicht weniger. Doch was kann man zur Verminderung dieser Nebenwirkungen tun? Leider sehr wenig:

Wir haben bereits erwähnt, dass vor einer Bestrahlung die Zähne in Ordnung gebracht werden müssen. Häufig heißt das leider auch, dass die Zähne vollständig entfernt werden müssen. Denn sonst kommt es später zu sehr schlimmen Entzündungen im Bereich der Kieferknochen, die kaum noch heilen. Außerdem muss für die verbleibenden Zähne eine spezielle Schiene angepasst und angefertigt werden, die mit einer fluorhaltigen Paste getränkt werden kann.

Es ist heute allgemein anerkannt, dass eine sehr sorgfältige Mundpflege während und nach einer Bestrahlung die besten Möglichkeiten bietet, die Nebenwirkungen und Folgen der Bestrahlung zu vermindern. Besonders wirksam sind hier (und bei vielen Chemotherapien) Mundspülungen mit Salbei-Tee, die mehrmals am Tag vorgenommen werden müssen. Dafür wird täglich ganz normaler Salbei-Tee aus Salbeiblättern aufgeschüttet und damit, natürlich nachdem der Tee kalt geworden ist, gegurgelt. Wem dieser Tee zu schlecht schmeckt, der kann als (schlechtere) Alternative Salbei-Bonbons verwenden.

Immer wieder berichten Patienten darüber, dass es außerdem zu einer erheblichen Linderung der Beschwerden führt, wenn sie Speiseeis lutschen. Dieser Effekt lässt sich auch recht leicht verstehen, wenn man bedenkt, dass es sich um eine (nicht durch Bakterien bedingte) Entzündung der Schleimhaut handelt.

Sehr große Hoffnungen haben wir vor wenigen Jahren auf ein Medikament gesetzt, das Ethyol® heißt. Es handelt sich dabei um eine Substanz, die die Amerikaner während des Krieges in Vietnam entwickelten, um ihre Soldaten vor den eigenen Chemiewaffen zu schützen. Jetzt sollte Ethyol® unter anderem die Schleimhäute bei der Bestrahlung schützen. Denn schon bald zeigten Untersuchungen, dass Patienten, die während einer HNO-Bestrahlung mit Ethyol® behandelt wurden, (angeblich) weniger Nebenwirkungen hatten. Aber bei solchen Untersuchungen muss man sehr vorsichtig sein und immer fragen, ob es einen Auftraggeber gibt und wer dieser Auftraggeber ist.

Obwohl Ethyol® wirklich sehr teuer ist und sehr schnell die Kosten für die eigentliche Bestrahlung übersteigt, waren wir froh, etwas gegen die schlimmen Nebenwirkungen einer HNO-Bestrahlung tun zu können. Und wurden bitter enttäuscht. Denn zumindest bei unseren Patienten zeigten sich dieselben Nebenwirkungen in demselben Ausmaß wie zuvor. Außerdem und zusätzlich hatten die Patienten auch noch ganz große Probleme mit den Nebenwirkungen von Ethyol®, das zu erniedrigtem Blutdruck und zu Übelkeit mit Erbrechen führen kann. Gegen diese Probleme mussten wir dann wieder Medikamente einsetzen, die wieder zum Teil erhebliche Nebenwirkungen hatten. Heute setzen wir Ethyol® nicht mehr ein und können es auch in keiner Weise empfehlen.

 


 

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